Bei langen Releasezeiten im Bereich mehrerer Sekunden erhalten wir den Effekt einer Aussteuerungsautomatik. Eine kurze Signalspitze stellt den Kompressor oder Begrenzer auf einen bestimmten durch Threshold und Ratio bestimmten Ausgangspegel ein. Solange keine weitere Spitze mit hohem Pegel auftritt, wird das Ausgangssignal nun sehr langsam wieder hochgeregelt. Für bestimmte Anwendungen von Begrenzern sind so lange Releasezeiten bedingt geeignet; im Bereich der Musikproduktion sind diese Einstellungen nicht brauchbar. Jeder von uns kennt den fürchterlichen Ton der ersten Heimvideorecorder, bei denen eine Signalspitze den gesamten Pegel nach unten drückte, bis er in einer ewig langen, unregelmäßigen Blende langsam wieder den Normalwert erreichte.
Bei kurzen Releasezeiten treten zwei Probleme auf, die die möglichen Einstellungen sowohl nach unten wie auch noch oben hin begrenzen. Regelt man die Releasezeit von Werten im Sekundenbereich langsam herunter, so ändert sich natürlich der klangliche Eindruck vom oben beschriebenen 'Videorecorder-Effekt' hin zu einer Verdichtung des Klangbildes. Im Bereich unterhalb einer Sekunde bleibt jedoch der nun entsprechend schnellere Aufregelvorgang hörbar und führt dazu, dass nach jeder durch eine Signalspitze hervorgerufenen Abregelung ein 'Hochpumpen' hörbar wird. Dieser Effekt behindert die eigentlich gewünschte Verdichtung des Signals sehr stark, da in diesem Bereich der Releasezeit das 'Pumpen' viel nachteiliger ist, als der Gewinn an Lautheit durch die Verdichtung des Signals. Im Bereich einer Releasezeit von etwa 0.3 Sekunden für einen Regelhub von ca. 10 dB beginnt dieser Effekt zu verschwinden. Dies liegt daran, dass das menschliche Gehör auf solche Änderungen in diesem Zeitbereich nicht mehr schnell genug reagiert. Die Releasezeit des Gehörs selbst lässt die elektrisch nach wie vor vorhanden Aufregelvorgänge nicht mehr hörbar werden.
Leider löst sich das Problem nicht auf so einfache Art und Weise. Je niedriger die Releasezeit wird, umso mehr tritt ein physikalischer Störeffekt in den Vordergrund. Regelt man einen Pegel manuell, z. B. mit einem Flachbahnregler am Mischpult, so ist die Änderungsgeschwindigkeit des Pegels während der Regelung sehr klein gegenüber der Länge einer Schwingung des Audiosignals, selbst wenn wir es mit Basstönen zu tun haben, bei denen die Frequenz niedrig und damit die Zeit für eine Schwingung lang ist. Wir können also annehmen, dass für die Dauer einer Schwingung einer niedrigeren Frequenz die Änderung der Verstärkung immer noch so langsam erfolgt, dass die Schwingung selbst nicht verändert wird. Je schneller die Regelung wird, umso größer wird jedoch auch die Änderung der Verstärkung während der Schwingung. Dadurch wird die Kurvenform der Schwingung verändert und dies erzeugt hörbare Verzerrungen. Die Geschwindigkeit einer Pegeländerung wird durch die auftretenden Verzerrungen automatisch begrenzt.
In der Praxis mischt sich der oben beschriebene Effekt mit einer weiteren Störung, die ebenfalls Verzerrungen im Bereich der Basstöne zur Folge hat. Für die Regelung in einem Kompressor ist es bei praktisch allen existierenden Verfahren erforderlich, das Audiosignal, dass als Stellgröße für die Regelung verwendet wird, gleichzurichten. Eine Gleichrichtung einer Wechselspannung erzeugt aber nie eine reine Gleichspannung sondern zunächst eine Spannung, die dem Signalverlauf der Wechselspannung entspricht, bei der aber der negative oder positive Teil der originalen Schwingung entweder abgeschnitten oder umgepolt wird. Wird er umgepolt, so spricht man von einer Vollwellengleichrichtung. Ferner gibt es die RMS-Gleichrichtung, die sich hinsichtlich der Welligkeit nicht wesentlich unterscheidet. Um aus dieser Spannung eine reine Gleichspannung herzustellen, muss man eine so genannte Siebschaltung einfügen, die mit Hilfe von Kondensatoren und Widerständen die Restwelligkeit ausfiltert. Die Effektivität der Filterung ist abhängig von der Dimensionierung der Schaltung, bei der die jeweilige Einstellung der Releasezeit eingeht, sowie von der Frequenz des Audiosignals. Bei niedrigen Frequenzen und kurzer Releasezeit wird die Filterwirkung immer geringer, so dass verformte Reste der ursprünglichen Schwingung übrigbleiben, die nun der Regelung des Pegels durch den Kompressor überlagert werden. Damit stellt sich die Regelung aber nicht auf einen konstanten Wert ein, sondern wird mit der Restwelligkeit der Steuerspannung moduliert. Dieser Effekt erzeugt zusätzlich zur Regelgeschwindigkeit Klirrfaktor im Audiosignal. Durch diese beiden Effekte wird die minimal mögliche Releasezeit durch den entstehenden Klirrfaktor begrenzt. Anders als bei der Kompression von Basstönen spielen beide Effekte bei mittleren oder hohen Frequenzen keine nennenswerte Rolle. Somit wird die Einstellung der Releasezeit bei einer 'verdichtenden' Einstellung zu einem Kompromiss zwischen hörbaren Pumpeffekten und noch akzeptablen Verzerrungen im Bassbereich.