Bisher haben wir immer nur das statische Verhalten des Kompressors betrachtet, ohne zu berücksichtigen, dass bei jeder Änderung des Eingangssignals die Regelung nicht abrupt auf den durch die Parameter Einstellungen vorgegeben Ausgangspegel springt. Da aber jedes reale Audiosignal sich permanent ändert, sind diese Betrachtungen zwar anschaulich um die generelle Funktionsweise eines Kompressors verstehen zu lernen, aber keineswegs realistisch.
Wie jedes System benötigt auch ein Kompressor Zeit für einen Zustandswechsel. Erhöhen wir den Eingangspegel oberhalb des eingestellten Threshold-Pegels, so wird sich nicht sofort der durch Threshold und Ratio vorgegebene Ausgangspegel einstellen. Vielmehr benötigt die für den Regelvorgang erforderliche Elektronik eine gewisse Zeit um auf die Veränderung zu reagieren und die Verstärkung zu verändern. Diese Einschwingvorgänge haben immer einen so genannten exponentiellen Verlauf, ohne dass wir hier näher auf die Gründe dafür eingehen wollen. Dies würde uns tief in die Abgründe der Grundlagen der Elektrizität hinein führen, wo wir aber gar nicht hin wollen. Ein exponentieller Verlauf ist dadurch charakterisiert, dass in einer bestimmten Zeit, die man üblicherweise als Zeitkonstante bezeichnet und die aus den Werten bestimmter in diesen Vorgang einbezogener Bauteile berechnet wird, ca. zwei Drittel der gesamten Änderung stattfinden. Nach nochmaligem Ablauf der gleichen Zeit findet eine weitere Veränderung von zwei Dritteln des restlichen Drittels statt. Theoretisch wird der Endwert nie wirklich erreicht; praktisch hat sich aber nach einer Zeitspanne von drei Zeitkonstanten der Wert auf 99 % des Endwertes angenähert. Fast jede Änderung findet mit diesem Verlauf statt, also auch der Einschwingvorgang eines Kompressors.
Dies hat zur Folge, dass bei einer Erhöhung des Eingangspegels der Ausgangspegel zunächst für eine kurze Zeitspannung proportional ansteigt, bevor die Regelung einsetzt. Die Regelung selbst erfolgt dann nach der vorbeschriebenen Exponentialfunktion. Der größte Teil der Pegeldifferenz wird sehr schnell ausgeregelt; die Annäherung an den Endwert erfolgt entsprechend langsamer. Diese Einschwingzeit, die wir ab jetzt mit dem gebräuchlichen englischen Wort Attack bezeichnen werden, wirkt sich entscheidend auf die klanglichen Eigenschaften eines Kompressors aus. Eine feste Attackzeit ist daher allenfalls für einen Begrenzer sinnvoll, der ja dafür sorgen soll, dass ein bestimmter Ausgangspegel nicht überschritten wird. Dies soll natürlich zur Vermeidung von Übersteuerung in möglichst kurzer Zeit geschehen, da sonst die bei einer Erhöhung des Pegels auftretenden kurzzeitig höheren Ausgangspegel doch zu einer Übersteuerung führen würden.