Lösungen und Kompromisse
Wie fast immer und nicht nur im Bereich der analogen Audiotechnik gibt es keine echte Lösung und auch kein optimales Konzept, sondern einen Kompromiss unter Abwägung aller Faktoren. Es gibt nur zwei mögliche Wege, die eine deutliche Verbesserung von Aussteuerbarkeit und Dynamik mit sich bringen. Entweder nimmt man die oben aufgelisteten Nachteile und Probleme in Kauf und verwendet trotzdem eine deutlich höhere Speisespannung im Bereich von 60 bis 100 Volt, oder man baut die gesamte Schaltung komplett symmetrisch auf, wie wir es bei den V700 Pro Audio Geräten tun. Bei dieser 'double balanced' Technik sind nicht nur die Ein- und Ausgänge eines Geräte durch elektronische Schaltungen oder Übertrager symmetrisch ausgeführt, sondern die gesamte Schaltung ist doppelt vorhanden.
Praktisch baut man ein Stereogerät, bei dem dann die beiden Kanäle für das gleiche Signal verwendet werden. Der eine Kanal arbeitet in Phase mit dem Eingangskanal, der andere Kanal bearbeitet das in der Phase gedrehte Signal. Dadurch ist die gesamte Spannung zwischen allen Punkten der doppelt vorhandenen Schaltung doppelt so hoch wie im konventionellen Verfahren. Dies bewirkt einen Gewinn an Aussteuerbarkeit von 6 dB ohne dass die Speisespannung erhöht werden muss. Ein Gewinn in dieser Größenordnung ist anders nur durch eine Verdoppelung der Speisespannung zu erzielen. Dies würde in der Praxis aber 88 Volt statt 44 Volt bedeuten, wodurch der Einsatz irgendwelcher integrierter Schaltungen ebenso unmöglich wird, wie die Verwendung der meisten konventionellen diskreten Halbleiter.
Hinsichtlich der Dynamik ergibt sich grundsätzlich ein Vorteil von 3 dB, der in der Praxis allerdings meist deutlich höher ausfällt. Da sich zwei Rauschspannungen des gleichen Betrags wegen der zufälligen Phasenverteilung im Spektrum nicht mit einer Verdoppellung addieren sondern die Gesamtspannung nur um den Faktor 1.41.. höher wird, steigt der Rauschpegel nur um 3 dB an, während der Nutzpegel, wie schon erklärt, um 6 dB steigt. Dies ergibt eine generell um 3 dB höhere Dynamik, die in einem Bereich der hart an den Grenzen des physikalisch überhaupt Machbaren gigantisch groß ist. Ferner entfällt die Notwendigkeit, das Eingangssignal zu dämpfen und nach der Bearbeitung auf niedrigerem Pegel wieder hochzuverstärken. Das hier zusätzlich endstehende Rauschen beträgt meist ein bis zwei dB, die als zusätzlicher Gewinn erscheinen. Verwendet man dieses Prinzip für Misch-Schaltungen lassen sich sogar Verbesserungen bis zu 9 dB erzielen. Leider hat dieses Prinzip eine Reihe von Nachteilen, die die Realisierung sehr teuer und schwierig machen. Um den vollen Gewinn an Betriebsdynamik zu erhalten, verbietet sich der Einbau von zusätzlichen Verstärkern für die Symmetrierung der Ein- und Ausgänge in der Art, dass sowohl symmetrischer wie auch unsymmetrischer Betrieb der Ein- und Ausgänge problemlos möglich ist. Diese zusätzlichen Verstärkerstufen würden einen guten Teil des Gewinns schon wieder zunichte machen. Damit sind Ein- und Ausgangsübertrager für eine optimale Betriebsdynamik in diesem Verfahren unbedingt erforderlich. Die hier eingesetzten Übertrager müssen natürlich dann auch die hohen Pegel von mehr als + 30 dBu bei Frequenzen von 40 Hz verarbeiten können ohne dass die Kerne in die Sättigung kommen und die verbesserte Gesamtdynamik durch tieffrequente Verzerrungen im Prozent-Bereich wieder limitieren. Übertrager dieser Art, die überdies auch in ihren anderen Eigenschaften keine Nachteile mit sich bringen, erhöhen den Preis und nebenbei auch das Gewicht solcher Geräte erheblich. Zusätzlich muß natürlich die gesamte Schaltung doppelt vorhanden sein. Neben dem doppelten Bauteileaufwand werden an den Gleichlauf aller Regelelmente und aller Bauteile, die irgendwelche Auswirkungen auf das Signal haben sehr hohe Anforderungen gestellt, die sich in der Praxis nur die Ausmessen vieler Bauteile und aufwendige Abgleich- und Trimmprozeduren beim Test und während der Fertigung realisieren lassen. All dies zusammen führt dazu, dass nach diesem Prinzip gebaute Geräte den Vorteil der höheren Dynamik mit einem deutlich höheren Preis erkaufen.
Benutzt man keines der beiden Verfahren, so bleibt nur die sorgfältige Optimierung aller Komponenten einer Schaltung mit Blick auf eine möglichst hohe Dynamik.
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